Nachruf auf Ruth-Marion Flemming – eine Erinnerung von Barbara Ming

Diese klingende Stimme mit einem norddeutschen Zungenschlag, freundlich, einladend.
„Na, dann kommen Sie mal, wir sind gespannt.“
Es war das Jahr 1988, als ich der Einladung nach Erkrath folgte. Ich hatte in der Rheinischen Post von einer Autorengruppe gelesen, die sich interessiert gab an der Begegnung mit anderen schreibenden Menschen aus der Region, und ich fühlte mich angesprochen.
Und dann stand ich vor ihr, dieser kleinen quirligen Frau mittleren Alters. Hinter einer großen runden Brille waren die wachen hellen Augen direkt auf mich gerichtet.
„Interessant“, sagte sie, „Sie heißen vorne so wie ich hinten, wenn das mal nichts zu bedeuten hat. Flemming mein Name.“
Das also war sie, die Gründerin des Literaturkreises ERA!
Pummelig, mit einem Pferdeschwanz und sehr präsent. Die anderen Gestalten an diesem Tisch im Dachstudio des Hauses Bavier in Erkrath (damals Wilma Klevinghaus und ein Siegfried Jahnke aus Erkrath, Helga Fleischer und Erwin Wuillemet aus Ratingen und einige mehr) saßen hinter ihren Textblättern und warteten geduldig auf die Aufforderung, lesen zu dürfen.
Fast alle qualmten die Luft blau, so auch Frau Flemming. „Eine Ausnahme“, schmunzelte sie Siegfried Jahnke zu, als sie in sein Zigarettenetui griff.
1932 geboren in Bremen hatte das Leben sie irgendwann nach Erkrath gespült, wo sie mit ihrem Mann lebte, Sohn und Tochter standen bereits auf eigenen Beinen.
Leidenschaftliche Motorradfahrerin mit eigener Maschine „… doch allmählich ist es an der Zeit, etwas weniger Gas zu geben und ruhiger zu treten“, sagte sie damals.
Ruhiger treten? Eine Frau Flemming? Niemals.
Nach der offiziellen Gründung der ERA 1986/1987 gab sie für die Gruppe die ersten kleinen Schriften unter dem Titel „Federlese“ heraus. Zeitgleich war sie zu hören im Literaturtelefon der Stadt Düsseldorf und in Rundfunksendungen des Bürgerfunks . Die „Fingerzeig“-Gedichte, satirische Texte, „Qualmend meditiert die Socke“, „der Praktiker“ und viele weitere humoreske Texte entstanden ebenso wie die kleinen Haikus und die ernste Lyrik. Aktiv auch bei den Düsseldorfer Bücherfreunden (FDB) und als Jurorin bei verschiedenen Literatur-Ausschreibungen organisierte sie für die ERA eine Vielzahl von beachteten Veranstaltungen und Lesungen. Die organisatorische Meisterleistung: ein dreitägiges Literatur-Festival in den Räumlichkeiten der Wasserwerke Erkrath mit Lesungen, Schreibseminaren, Meditationsveranstaltungen und einem schriftstellerischen Wettbewerb. Und dazu reisten sogar weitere Autorengruppen aus Düsseldorf, Hilden, von der linken Rheinseite und dem Umland an.
1999 zog sich Ruth Marion Flemming nach dem Tod ihres Mannes und aus eigenen gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven schriftstellerischen Leben zurück. Sie gab den Vorsitz der ERA e.V. an mich mit dem Einverständnis der Gruppe weiter.
Und so bleibt augenzwinkernd zu sagen, dass der hintere Teil ihres Nachnamens den Vorsitz übernahm – so, wie sie es elf Jahre zuvor angedeutet hatte. Denn Voraussagen und Vorhersehungen liebte sie auch – und traf damit oft genau ins Schwarze.
Zur KULTURkneipe am 2. Dezember 2018 werden wir einige Texte von Ruth Marion Flemming vortragen. (Hinweis unter „Termine“).